Tue mir kund, HERR, mein Ende
und welches das Maß meiner Tage ist,
d amit ich erkenne, wie vergänglich ich bin!
Psalm 39,5
Die erste Augustwoche 1994: Wandern in den Radstädter Tauern. Ein schwüler, heißer, sonniger Nachmittag, Bilderbuchsommer, der zweite Gipfel dieses Tages liegt hinter uns, wir sind noch über der Baumgrenze. Sehr schnell zieht ein Gewitter auf, unvermutet, wie oft in den Bergen. Es regnet, Gegenwind, die Kapuzen tief ins Gesicht, schnell wird es dunkel und kühl. Der Himmel ist schwarz. Erste Blitze, ganz in der Nähe, der Donner, fast gleichzeitig, zerschneidet die Luft, brüllt in meinen Ohren, selbst mein Brustraum vibriert. Gleißende Helle, in schnellen Abständen, als mich und meinen Begleiter plötzlich ein Schlag trifft, ein kleiner Seitenarm eines Blitzes, den ich noch gut in Erinnerung habe, so nah und plastisch, dass ich meinte, ihn greifen zu können. Ich bekam Angst wie noch nie, begann zu laufen und zu schreien, der andere aber, ein Bergfex weit über 60, meinte nur: „Das sind Blitze. Vor denen kannst du nicht davonlaufen. Wenn er dich trifft, trifft er dich.“
Wehrlos und voll Angst, stumm vor der Naturgewalt, begann ich innerlich zu beten. Ich glaubte nicht an Gott, aber in dieser Ausweglosigkeit wusste ich: wenn es ihn gibt, kann nur er mich da herausbringen. Wir kamen heil ins Tal und ich lag den ganzen Abend wie tot im Bett, gelähmt von der Gewissheit, vergänglich zu sein, jetzt schon, immer schon, nicht erst als Greis, der ich vielleicht irgendwann einmal sein würde, später. Jetzt. Jeder Atemzug könnte mein letzter sein.
Danach
In diesem Sommer hatte ich gerade erste Erfahrungen mit Drogen gemacht. Mein Wunsch war einzig und allein, jeden Augenblick auszukosten. Ich war immer ein Musterschüler gewesen, rutschte jedoch schulisch schnell ab, wollte Erfahrungen machen und niemandem Rechenschaft über mich und mein Leben geben. Frei sein, unabhängig von Menschen, unabhängig von Gott. Meine ganze Abneigung galt damals der Mittelmäßigkeit, der Oberflächlichkeit. Ich wollte Tiefgang und Intensität, in Beziehungen, in Gesprächen, in Erlebnissen. Echt sein, so sein wie ich bin. Frei sein. Wenn ich im Zuge dessen auf die falsche Karte gesetzt habe, so meinte ich: dann habe ich eben Pech gehabt. Sterben muss ich sowieso. Glaube an Gott erschien mir damals als Unfreiheit, freiwilliges Verzichten auf die schönsten Dinge, die das Leben zu bieten hat, die ich mir nicht entgehen lassen wollte, als engstirnige, konservative Schwarzweißmalerei, unzeitgemäß.
So war ich fast täglich abends unterwegs, trank und rauchte viel, gründete mit Bekannten eine marxistische Jugendpartei, die von kurzer Dauer war, machte gefährliche Experimente mit sogenannten Naturdrogen, malte, schrieb Gedichte und Erzählungen, saß tagelang komponierend über einem Musikcomputer und der Gitarre, beseelt von der Idee, irgendetwas zu schaffen, produktiv zu sein, künstlerisch tätig. Dazwischen waren jedoch oft Phasen der Leere, der Traurigkeit, Suche nach etwas, das ich auf diese Art nicht finden konnte.
Als ich die Matura machte, änderte sich vieles: ich hatte eine Freundin, hörte auf zu rauchen, wurde Vegetarier und während dem Zivildienst begann ich Rennrad zu fahren, Touren, die oft über 150 km lang waren, ich verschlang die schönsten Kärntner Passstrassen und liebte die körperliche Herausforderung. Dann zog ich nach Wien, begann zu studieren, mein Leben war glatt, ich trainierte viel, fühlte mich glücklich, gesund, nahezu problemlos und frei. Nach 3 Jahren zerbrach diese Beziehung und ich hatte das Gefühl, mein Leben wäre mit ihr zerbrochen, alles fiel irgendwie zusammen, nichts funktionierte mehr, ich warf mich in den Sport, Triathlontraining, um zu vergessen, um mich nicht hängenzulassen, doch das war alles nur von kurzer Dauer, immer wieder kam eine Traurigkeit, eine Leere in mir hoch, gegen die ich nicht ankam. In dieser Zeit begann ich, die Bibel zu lesen.
Gehört jemand zu Christus, dann ist er ein neuer Mensch. Was vorher war, ist vergangen, etwas Neues hat begonnen. (2. Korinther 5,17)
Ich las die Bibel und begann langsam zu begreifen, dass ich damals wirklich auf die falsche Karte gesetzt hatte, auf dem Holzweg war. In all dem, womit ich mich beschäftigte, worin ich bisher suchte, in sogenannter Bewusstseinserweiterung, in Beziehung, in künstlerischem Schaffen, in Philosophie, im Sport hatte ich nie das gefunden, wonach ich mich gesehnt habe: Tiefe, Echtheit, Freiheit, Freude. Denn all das war vergänglich, wie ich selber, oder von meiner eigenen Vergänglichkeit bestimmt, und seine Wirksamkeit war nur von kurzer Dauer, danach war der Durst wieder da, wie zuvor. Mir dämmerte, dass ein Leben fern von Gott letzten Endes Selbstzerstörung bedeutet. Das Wort Gottes deckte schonungslos auf, was ich vor mir selbst nie eingestehen wollte. Vieles hatte ich kaputtgemacht, was nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte, hatte Schuld angesammelt, die ich nicht loswerden konnte, und ich merkte, dass wahre Liebe nicht in mir war, Liebe, nach der ich mich sehnte. Ich war in einem Kreislauf des Verletzens und Verletztwerdens.
Oft stieß ich in der Bibel auf Einladungen, Einladungen Gottes, die an uns persönlich gerichtet sind, an mich persönlich gerichtet. Gott will mit uns Gemeinschaft haben, will uns Ruhe und Freude geben, uns ewiges Leben schenken. Er möchte, dass wir mit ihm einen Neubeginn wagen. Im Frühjahr 2002 nahm ich diese Einladung an. Ich betete zu Jesus Christus, bat ihn, mir all die Schuld zu vergeben, die mich so belastete, mit der ich einfach nicht zurechtkam, mir aus meinem Kreislauf der Verletzung herauszuhelfen, und Herr über mein Leben zu werden. Da durfte ich erfahren, dass Jesus Realität ist dass er lebt und dass sein Wort Wahrheit ist. Denn er hat mein Gebet erhört und mir wirklich tiefen Frieden und Ruhe geschenkt, die ich nie zuvor kannte. Er hat mir vergeben, und mir ein neues Leben geschenkt, ewiges Leben, Leben, das unvergänglich ist, auch wenn mein Körper einmal sterben wird, dieses Geschenk Gottes, mein neues Leben bleibt.
Jesus Christus spricht: „Ich bin das Brot des Lebens. Keiner, der zu mir kommt, wird jemals wieder Hunger leiden, und niemand, der an mich glaubt, wird jemals wieder Durst haben“ (Johannes 6,35)
Gott, der die Welt schuf und auch uns erschaffen hat, weiß am besten, was wir brauchen. Bei ihm und durch ihn fand ich, wonach mich immer Sehnsucht hatte, das Glück und die Freude, die ich in Gemeinschaft mit Jesus erleben darf, sind besser als alles, was ich zuvor erfahren habe, nicht flüchtig und nicht vergänglich, keine Leere zurücklassend. Ich habe erleben dürfen und erlebe noch immer, dass entgegen meiner früheren Meinung meine Freiheit nicht bedeutet, zu tun, was immer ich gerade tun will, sondern nach Gottes Willen zu leben.
Vertraut nicht auf Edle, auf einen Menschensohn, bei dem keine Hilfe ist! Sein Geist geht aus, er kehrt wieder zu seiner Erde: am selben Tag gehen seine Pläne verloren. Glücklich der, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist, dessen Hoffnung auf dem HERRN, seinem Gott, steht, der Himmel und Erde gemacht hat, das Meer und alles, was in ihnen ist; der Treue hält auf ewig. Er schafft Recht den Bedrückten, er gibt den Hungrigen Brot. Der HERR macht die Gefangenen frei. (Psalm 146, 3-7)